Neue Meerschweinchen jagen sich: So gelingt die Gruppen-Integration
- Tierisch schlau
- 30. Juli
- 7 Min. Lesezeit
Wenn man neue Meerschweinchen in eine bestehende Gruppe setzt, geht es oft turbulent zu: Da wird gejagt, gebrommselt (tiefes Brummen) und gerangelt. Für uns Halter sieht das schnell nach Streit aus – doch meist ist es normales Sozialverhalten. Wichtig ist, zu wissen: Meerschweinchen sind hochsoziale Tiere, aber sie müssen ihre Rangordnung klären, sobald ein neues Tier dazu kommt. In diesem Ratgeber erfährst du, wie du die Integration deiner Meerschweinchen erfolgreich gestaltest, was das Verhalten zu bedeuten hat und wann du eingreifen solltest. Mit unseren Tipps wird aus dem anfänglichen Durcheinander bald eine harmonische Schweinchen-WG.

Dominanz und Gruppenverhalten verstehen
Wenn neue und alte Meerschweinchen aufeinandertreffen, ist das zunächst Stress für alle Beteiligten. Rangordnung klären heißt die Devise: Wer ist Chef, wer ordnet sich unter? Dieses Verhalten äußert sich unter anderem durch:
Jagen und Aufreiten: Es ist völlig normal, dass die Tiere sich anfangs durch das Gehege jagen und versuchen, aufeinander aufzusitzen. Besonders Männchen (auch kastrierte Böcke) besteigen neue Weibchen, um sie als sein Weibchen zu markieren und seinen Anspruch klarzumachen. Aber auch Weibchen untereinander können dominantes Aufreiten zeigen. So lange das in Maßen passiert, ist es normales Ritual.
Brommseln und Zähneklappern: Männchen wie Weibchen können ein tieffrequentes Knattern von sich geben (Brommseln), oft verbunden mit wackelnden Hüften – das ist Imponiergehabe und Balz zugleich. Ein leises Zähneklappern oder -klappern signalisiert Unmut oder Drohung. Begegnen sich zwei unsichere Tiere, wird erstmal viel gebrommelt und mit den Zähnen geklappert, bevor es eventuell zu direktem Kontakt kommt.
Schnüffeln und Nasenstupsen: Treffen sich die Tiere schließlich von Angesicht zu Angesicht, wird ausgiebig an Nase und Hinterteil geschnüffelt. Dabei heben sie oft die Köpfe hoch, als wollten sie sich übertrumpfen. Das kann in ein spielerisches „Köpfchen anheben“ übergehen – wer den Kopf höher kriegt, ist ranghöher. Auch kleine „Schubsereien“ mit der Nase sind normal.
Quieken und Weglaufen: Nicht selten rennt das unterlegene Tier quiekend davon, sobald es bedrängt wird. Das Quieken kann herzzerreißend klingen, ist aber oft nur ein „Ich gebe auf, tu mir nichts!“-Signal. Wichtig: Wenn das gejagte Schwein immer wieder fliehen kann und keine ernsthaften Bisse abbekommt, ist das okay. Es zeigt, dass es die Dominanz des anderen anerkennt und Konflikte vermeidet.
All diese Verhaltensweisen sind in den ersten Stunden und Tagen einer Vergesellschaftung normal und zu erwarten. Als Halter muss man starke Nerven bewahren, denn es sieht ruppig aus. Doch Meerschweinchen haben ihre eigene Sprache. Unsere Aufgabe ist es, ihnen den Rahmen für eine möglichst stressarme Rangklärung zu bieten.
Vorbereitung: So setzt du neue Meerschweinchen richtig dazu
Der wichtigste Faktor für eine gelungene Vergesellschaftung heißt: Platz, Platz, Platz! Je mehr Raum die Tiere haben, desto einfacher können sie Aggressionen ausweichen und Streit schlichten. Enge Käfige oder verwinkelte Gehege sind ungeeignet für die Zusammenführung. Baue am besten ein neutrales Treffen auf „neutralem Boden“ auf: Das kann ein großes Freigehege im Zimmer oder Garten sein, das keiner der Gruppe als eigenes Revier ansieht. Größe von mindestens 2–4 m² (für z.B. 3–4 Tiere) ist ratsam – gern mehr!
Richte das Vergesellschaftungsgehege klug ein: Verstecke mit mehreren Ausgängen sind Pflicht. Verwende z.B. Häuschen ohne Boden, denen du zusätzliche Türöffnungen reinsägst, oder Tunnelröhren so groß, dass ein gejagtes Schweinchen darin nicht in die Enge getrieben werden kann. Sackgassen sind zu vermeiden. Stelle die Verstecke auch nicht an Wände, sondern frei zugänglich, damit keiner in der Falle sitzt.
Verteile Heuberge und Futterhäufchen überall im Gehege. Gemeinsames Fressen entspannt die Lage oft, und genügend Snacks sorgen dafür, dass kein Streit um Ressourcen entsteht. Sehr gut eignen sich große Haufen duftendes Heu in der Mitte – da können alle nebeneinander mümmeln und es lenkt von Rivalitäten ab.
Wenn du Böcke (auch kastrierte) vergesellschaftest, ist neutraler Boden ein Muss, da Böckchen besonders revierbetont sind. Bei weiblichen Gruppen kann es auch helfen, neutral anzufangen, vor allem wenn dominante Damen dabei sind. Jungtiere lassen sich oft leichter integrieren; sie werden von Älteren meistens schnell akzeptiert. Aber auch hier gilt: genügend Platz anbieten.
Bevor’s losgeht: Sorge für Ruhe. Wähle einen stressfreien Tageszeitpunkt, sei selbst entspannt. Halte Handtücher oder feste Handschuhe bereit, falls du doch trennen musst – und eventuell einen Besen, um Streithähne zu trennen (nicht die Hand dazwischen, Meerschweinchenbisse tun weh!).
Ablauf der Vergesellschaftung
Setze alle Meerschweinchen gleichzeitig in das vorbereitete Gehege. Nicht erst die alten und dann das neue hinterher – wirklich simultan, damit alle denken „Ah, neues Territorium, was ist hier los?“. Oft schnuppern die Tiere erst etwas im Gehege herum, fressen Heu und ignorieren sich die ersten Minuten. Das ist ein gutes Zeichen!
Früher oder später begegnen sie sich aber – jetzt geht es los: Brommseln, Verfolgen, Besteigen. Lass sie machen. Solange kein Blut fließt, heißt es: Nicht eingreifen! Ja, es mag laut quieken und Fell kann fliegen, aber all das dient dazu, die Hackordnung zu klären. Greifst du zu früh ein, müssen sie später wieder von vorne anfangen.
Wann musst du trennen? Nur wenn es wirklich erbittert und gefährlich wird: Also wenn ein Tier das andere permanent attakiert, es nicht mehr zum Fressen oder Ausruhen kommt, oder wenn ernsthafte Bisswunden entstehen. Ein paar Kratzer oder ein kleines eingerissenes Ohr können passieren und sind noch kein Abbruchgrund. Aber wenn du siehst, ein Schwein sitzt nur noch zitternd in der Ecke und wird immer wieder angegangen, dann brich lieber ab. In dem Fall müssen die Tiere getrennt und später ein neuer Versuch unter anderen Bedingungen gestartet werden (z.B. mit einem zusätzlichen Partnertier für den Aggressor).
Im Normalfall kühlen sich die Gemüter nach einigen Stunden ab. Die Tiere werden müde von der Rennerei und legen vielleicht mal Fresspausen ein. Manchmal schlafen sie nach dem ersten Tag sogar erschöpft nebeneinander – ein super Zeichen. In den folgenden 3–7 Tagen regeln sie Feinheiten der Rangfolge. In dieser Zeit kann es noch zu kleineren Jagden kommen, aber es wird merklich ruhiger. Nach etwa einer Woche solltest du eine deutliche Entspannung sehen: weniger Gejage, kaum noch Aufreiten, stattdessen gemeinsames Kuscheln und Fressen. Dann ist die Vergesellschaftung erfolgreich abgeschlossen.
Jetzt kannst du die Gruppe ins endgültige Gehege umsiedeln (vorher alles darin umräumen und neutral gestalten, damit keine alten Revierdufte stören). Lass aber während der ganzen Integrationswoche die Gruppe zusammen – nicht zeitweise trennen! Jedes Trennen würde wieder Stress und Neuverhandlungen bedeuten.
Heikle Konstellationen und Lösungen
Weibchengruppen „zicken“: Zwei oder mehr Weibchen können durchaus einige Zeit lang jagen und zwicken, bis die Rangordnung steht. Hier braucht man Geduld. Falls es partout nicht ruhig wird, überlegen manche Halter, einen kastrierten Bock hinzuzufügen, oft bringt ein Männchen Ruhe und vermittelt zwischen streitenden Damen. Natürlich nur, wenn man den Platz und kein Problem mit möglichem Nachwuchs (bei nicht trächtigen Weibchen und kastriertem Bock gibt’s keinen) hat.
Mehrere Böcke: Reine Böckchengruppen sind schwierig und nur erfahrenen Haltern zu empfehlen. Zwei junge Böcke ohne Weibchen können funktionieren, aber sobald Weibchen in der Nähe sind (auch in anderen Käfigen!), steigt das Konfliktpotenzial. Falls du einen Jungbock zu älteren Böcken integrieren willst, sei besonders wachsam. Oft kommt es hier zu heftigen Rangkämpfen. Im Idealfall akzeptiert der Altbock den Junior nach einiger Zeit, wenn dieser sich unterwirft. Schlüssel sind viel Platz und kein Weibchenduft weit und breit.
Großer Altersunterschied: Ein Jungtier (unter vier Monaten) zu einem sehr alten Tier – das kann klappen, sofern das Alte geduldig ist. Das Jungtier wird meistens frech herumspringen; ältere können davon genervt sein. Hier hilft oft ein drittes, etwa mittelaltriges Tier als Puffer. Ansonsten gilt: Bei ganz jungen immer aufpassen, dass sie nicht unter die Räder kommen, aber oft erziehen ältere Weibchen die Kleinen liebevoll mit.
Integration nach Verlust: Stirbt ein Partner, muss ein neuer her. Meerschweinchen trauern und ein einsames Schweinchen soll nicht lange alleine bleiben. Bei solchen „Duos“ (ein verwitwetes Tier und ein neues) geht es oft relativ friedlich, besonders wenn es sich um ein älteres und ein junges Tier handelt. Trotzdem, auch hier: Neutral zusammenführen, Platz und zwei Häuschen mit zwei Eingängen bereitstellen.
Wann ist die Gruppe wirklich friedlich?
Ein gutes Indiz ist, wenn du die Schweinchen ruhig beieinander liegen siehst, eventuell sogar kuscheln. Dann haben sie sich akzeptiert. Auch gemeinsames Fressen aus einem Heuhaufen oder nebeneinander Mümmlen zeigt Harmonie. Du wirst merken: Nach einigen Tagen kehrt Alltag ein. Es wird wieder geschnurrt und gequiekt wie eh und je, und die anfänglichen Verfolgungsjagden lassen nach. Man läuft vielleicht nun eher hintereinander her statt weg – das ist ein Zeichen von Gruppenbildung.
Dennoch bleibt in jeder Gruppe einer der Boss. Kleine Machtspiele wird es immer wieder mal geben, gerade beim Füttern oder wenn ein Weibchen brünstig ist. Solange das im Rahmen bleibt (kurzes „Meckern“, Wegjagen vom Futter, dann ist gut), mische dich nicht ein. Das Sozialleben der Meerschweinchen zu beobachten ist faszinierend – man sieht die verschiedenen Persönlichkeiten und Beziehungen. Genau deshalb sollte man nie ein Meerschweinchen alleine halten: Erst im Zusammensein zeigen sie ihr natürliches Verhalten so richtig, vom Aalaugenzwinkern bis zum Freude-Purzelbock.
Fazit: Erfolgreiche Vergesellschaftung in 5 Schritten
Zum Schluss die wichtigsten Punkte, damit aus jagenden Meerschweinchen eine glückliche Gruppe wird:
Neutraler, großzügiger Platz: Bereite ein großes Gehege für das erste Zusammentreffen vor – mindestens ein paar Quadratmeter, mit Verstecken, Heu und mehreren Eingängen.
Geduld beim Kennenlernen: Jagen, Aufreiten und Brommseln sind anfangs normal. Greife nicht voreilig ein, solange kein Blut fließt und keiner völlig apathisch wirkt.
Stressarm und sicher: Sorge für Verstecke mit mehr als einem Ausgang, damit kein Schwein in die Ecke gedrängt wird. Biete Futter an verschiedenen Stellen an, damit niemand Hunger leidet. Halte Wasser und Frischfutter bereit, aber ohne dass sich die Tiere darum prügeln müssen (mehrere Näpfe).
Beobachten und notfalls eingreifen: Die meisten Rangstreitigkeiten lassen nach ein paar Stunden nach. Sollten einzelne Tiere massiv leiden (dauerhaft gejagt, verletzt, panisch), brich ab und versuche es später erneut oder in anderer Konstellation. Ansonsten: Augen zu und durch – es wird besser!
Nachsorge: Nach 1–2 Wochen sollte Ruhe eingekehrt sein. Reinige dann das Haupthaus gründlich und setze die Gruppe zusammen dorthin um. Halte die Gruppe stabil – also nicht ständig wieder Tiere rausnehmen oder neue dazu, denn jede Änderung bedeutet erneut Stress. Genieße das quirlige Zusammensein deiner Meerschweinchen, wenn sie sich einmal gefunden haben.
Mit diesen Tipps ausgestattet, brauchst du dir keine übermäßigen Sorgen machen, wenn deine neuen Meerschweinchen sich anfangs jagen. Es ist meistens nur halb so wild, wie es aussieht. Nach der erfolgreichen Vergesellschaftung wirst du mit ansehen dürfen, wie sie als Gruppe glücklich umherwuseln, kuscheln und gemeinsam futtern – ein Anblick, der jeden Aufwand wettmacht. Viel Erfolg und starke Nerven für die Kennenlernphase deiner kleinen Fellknäuel!


