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Woran merke ich, dass mein Pferd friert?

  • Tierisch schlau
  • 20. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Mai

Gute Nachricht vorweg: Gesunde Pferde kommen mit Kälte besser zurecht als wir Menschen denken. In ihrer Wohlfühlzone liegen Temperaturen etwa zwischen -5 °C und +15 °C. Pferde sind von Natur aus Außentiere – ihr Stoffwechsel und Fell passen sich an. Im Herbst entwickeln Offenstall-Pferde ein dichtes Winterfell, das durch aufstellen der Haare (Piloerektion) und Fettschicht sehr gut isoliert. Ein gesundes, trockenes Winterfell schützt ein Pferd bis zu -15 °C vor Auskühlung. Erst bei extremen Temperaturen unter -20 °C oder in nasskaltem Wind stoßen sie an Grenzen. Wichtig: Die genannten Werte gelten für Pferde, die langsam an Kälte gewöhnt wurden, ausreichend gefüttert sind und sich bewegen können. Ein Boxenpferd ohne Winterfell kann schon bei +5 °C frösteln, weil es das dicke Fell nicht ausgebildet hat. Ältere oder kranke Pferde haben oft ebenfalls weniger Kältetoleranz – ihr Fellwechsel klappt ggf. nicht optimal. Beobachte dein Pferd individuell: Manche frieren schneller, andere laufen noch bei Schneesturm nackig herum und fühlen sich pudelwohl.


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Anzeichen, dass dein Pferd friert

Das deutlichste Signal ist Zittern. Wenn dein Pferd am ganzen Körper zittert oder die Muskeln beben, versucht es aktiv Wärme zu erzeugen. Zittern ist eine kurzfristige Lösung des Körpers gegen Kälte – es ist nicht sofort gefährlich, aber ein Zeichen, dass dein Pferd nun Hilfe braucht. Besonders in Kombination mit Nässe und Wind tritt Zittern auf: ein klatschnasses Pferd bei Windchill kühlt aus, dann siehst du das Beben. Weitere Anzeichen: Dein Pferd hält sich steif, zieht evtl. den Schweif etwas an oder „buckelt“ den Rücken leicht auf. Die Haare stellen sich hoch (wenn kein Deckenzwang da ist) – sieht das Fell struppig aufgerichtet aus, versucht es, ein isolierendes Luftpolster zu bilden. Interessant: Selbst mit Decke kannst du erkennen, ob sie reicht. Stehen dem Pferd trotz Decke die Haare zu Berge, ist die Decke offenbar nicht warm genug für die Bedingungen (man sieht dann das Fell unter der Decke aufrichten). Kalte Ohren können ein weiterer Hinweis sein: Fühl mal an den Ohren deines Pferdes, genauer am Ohransatz (dort wo Ohr auf Kopf trifft). Sind beide Ohren an der Basis deutlich kühl oder kalt, könnte das Pferd zu frieren anfangen. Warm-feuchte Ohransätze bedeuten meist, dem Pferd ist warm genug oder sogar zu warm. Apathie und Zusammenkauern: Ein stark frierendes Pferd wirkt matt, steht eventuell mit angezogenen Beinen oder legt sich häufiger hin, um Wärme zu sparen – das sind bereits Alarmzeichen fortgeschrittener Unterkühlung. In so einem Fall (wirklich starkes Frieren) solltest du rasch handeln: trockene Umgebung, Decke drauf, evtl. leicht bewegen, Tierarzt rufen wenn es gar nicht mehr aufsteht.


Decke – ja oder nein?

Diese Frage spaltet oft die Lager. Grundsätzlich: Wenn dein Pferd gesund ist, dickes Winterfell hat und sich bewegen kann, braucht es oft keine Decke – selbst bei Minusgraden nicht. Ein ständiges Eindecken kann sogar die natürliche Thermoregulation behindern; das Fell lernt sonst nicht, sich richtig aufzubauen, und die Muskulatur bildet weniger Wärme. Aber: Es gibt Situationen, da ist eine Decke sinnvoll oder nötig:


  • Bei Nässe und Wind ohne Unterstand: Dauerregen um den Gefrierpunkt + Wind ist tückisch. Wird das dichte Winterfell richtig durchnässt und kann nicht trocknen, verliert es die Isolationswirkung. Hier hilft eine regenfeste Outdoordecke, damit das Pferd trocken bleibt.


  • Geschorene Pferde: Wenn du dein Pferd im Winter scherst (teilweise oder komplett, z.B. für den Sport), nimmst du ihm den natürlichen Schutz. Geschorene Pferde müssen abhängig von Temperatur eingedeckt werden, weil ihnen schlicht das Fell fehlt.


  • Kranke/alte Pferde: Hat dein Pferd z.B. im Herbst schlecht Fell aufgebaut oder ist sehr mager/alt, hilf ihm mit einer Decke. Solche Pferde frieren schneller, da weniger Substanz zum Warmhalten da ist.


  • Stallpferde im Wechsel: Steht dein Pferd nachts in der warmen Box und tagsüber draußen, hat es vielleicht nicht genug Winterfell entwickelt. Hier kann eine Decke draußen nötig sein, bis es sich akklimatisiert hat.


  • Nach dem Training: Schwitzende Pferde immer mit einer Abschwitzdecke bedecken, damit sie in Ruhe trocknen können. Ein nasses, verschwitztes Pferd kann sonst sehr schnell auskühlen, weil Verdunstungskälte entsteht. Also nach dem Reiten: Abschwitzdecke drauf, führen bis es trocken ist – erst dann ggf. gegen eine Winterdecke tauschen oder ohne Decke lassen.


Wie prüfe ich, ob die Decke passt?

Geh regelmäßig hin und fühl unter die Decke deines Pferdes. Die Schulterpartie und der Rumpf sollten angenehm warm (nicht heiß) sein. Wenn du Feuchtigkeit oder Schweiß unter der Decke fühlst, ist sie zu dick/warm – dein Pferd schwitzt, was wiederum zu Auskühlen führen kann, wenn der Schweiß abkühlt. Kalte Ohren trotz Decke deuten darauf hin, dass die Decke evtl. zu dünn ist. Achte auch auf Scheuerstellen – eine schlecht sitzende Decke kann wund reiben.


Verhalten im Winter

Viele Pferde fühlen sich bei Kälte pudelwohl und zeigen lebhaftes Verhalten – man spricht vom „Temprament in der kalten Luft“. Das ist normal: Kälte wirkt aktivierend, manche Pferde sind im Winter sogar ausgelassener (die sprichwörtlichen „Buckler im Schnee“ vor Freude). Solange es kontrollierbar ist, freu dich, dass dein Pferd Energie hat. Achte aber darauf, dass es genug Raufutter hat: Das Verdauen von Heu erzeugt enorme Wärme von innen. Ein Pferd, das rund um die Uhr Heu knabbern kann, „heizt“ sich quasi selbst. Bei sehr kaltem Wetter erhöhe die Heumenge, anstatt extra Kraftfutter zu geben. Bewegung hält ebenfalls warm – Pferde in Offenstallhaltung, die sich nach Belieben bewegen können, frieren weniger als welche, die stundenlang still stehen.


Achtung Wasser

Prüfe im Winter mehrmals täglich die Tränken – Pferde trinken auch bei Kälte ausreichend, wenn das Wasser nicht eiskalt ist. Sehr kaltes Wasser kann Bauchweh verursachen. Biete wenn möglich leicht angewärmtes Wasser an oder zumindest Wasser, das nicht gefroren ist. Ein Pferd, das zu wenig trinkt, riskiert einen Darmverschluss.


Fazit

Erkennen, ob dein Pferd friert, gelingt am besten durch genaues Beobachten: Zittern, Körperhaltung, Ohr-Temperatur und Fellstruktur verraten es. Nicht jedes Pferd braucht sofort eine Decke, wenn es kälter wird – viele kommen prima ohne durch den Winter. Aber habe eine passende Decke parat für den Fall der Fälle (Regendecke, Winterdecke für sehr kalte Tage). Und wenn du dein Pferd eindeckst, tu dies bewusst und kontrolliere regelmäßig, ob es darunter auch wirklich glücklich ist. Ein warm eingepacktes Pferd, das dafür schwitzt, wäre kontraproduktiv. Dein Pferd zeigt dir, was es braucht – manchmal mit Zittern („bitte Decke“), manchmal mit Wälzen im Schnee („mir ist warm“). Schau hin, dann machst du es richtig.

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