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Wie lange darf mein Pferd auf die fette Wiese? – Tipps für Weidemanagement ohne Rehe-Risiko

  • Tierisch schlau
  • 20. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Mai

Grünes Weidegras klingt nach Pferdeparadies – birgt aber Gefahren. In intensiv gedüngten Kuhweiden steckt ein Überangebot an Energie, vor allem in Form von Fruktan, einem speicherbaren Zucker der Gräser. Pferde stammen ursprünglich aus kargen Steppengebieten und ihr Stoffwechsel ist auf mageres Futter eingestellt. Steht ein Pferd auf einer „fetten“ Weide mit sehr eiweiß- und kohlenhydratreichem Gras, nimmt es schnell zu viele Kalorien und Fruktane auf. Fruktan kann vom Pferd im Dünndarm nicht abgebaut werden und gelangt in den Dickdarm, wo es zu Gärung führt. Dabei stirbt ein Teil der Darmflora ab und setzt Giftstoffe frei, die über die Blutbahn in die Hufe gelangen und dort die Durchblutung stören.


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Die Folge kann eine Hufrehe sein – eine schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut. Übergewichtige Pferde oder solche mit EMS (Equinem Metabolischem Syndrom) sind besonders gefährdet, weil ihr Zuckerstoffwechsel bereits gestört ist. Eine fette Wiese ist also vor allem für leichtfuttrige Rassen (Ponys, Haflinger usw.) und reheanfällige Pferde kritisch. Doch keine Sorge: Dein Pferd muss nicht auf Weidegang verzichten – mit dem richtigen Weidemanagement kannst du das Risiko stark verringern.


Tipps für sicheres Weidemanagement

  • Schrittweises Anweiden im Frühling: Nach dem winterlichen Weide-Stopp musst du den Verdauungstrakt deines Pferdes erst wieder an frisches Gras gewöhnen. Starte mit kurzen Weidezeiten (z.B. 15 Minuten pro Tag) und steigere in kleinen Schritten über mehrere Wochen. So können sich Darmflora und Stoffwechsel anpassen, ohne dass es zu Verdauungsstörungen kommt. Lass dein Pferd vor dem Weidegang etwas Heu fressen – ein halb gefüllter Magen bremst den Heißhunger auf Gras.


  • Weidezeit nach Wetter planen: Der Fruktangehalt im Gras schwankt je nach Tageszeit und Wetter. Grundregel: Hohe Fruktan-Gefahr bei Sonne und Kälte. An kalten, klaren Frühlingstagen mit Nachtfrost produziert Gras viel Fruktan, kann es aber wegen Kälte nicht verwerten – das Gras ist morgens „gefährlich süß“. In solchen Phasen möglichst gar nicht oder nur sehr kurz weiden lassen, und wenn, dann eher am Nachmittag, sobald es wärmer ist. Im Sommer hingegen, besonders bei milden Nächten, ist früh am Morgen der Fruktangehalt am niedrigsten – Vormittag ist dann die sicherste Weidezeit. Bei bedecktem, warmem Wetter verbraucht das Gras tagsüber mehr Fruktan als es bildet, da die Photosynthese geringer ist – hier kann auch mal am Nachmittag/Abend geweidet werden. Nach Regen und bei gutem Wachstum ist das Gras generell fruktanärmer als in Trockenperioden. Merk dir: Kühle Nächte + Sonne = Fruktanbombe, warme, feuchte Witterung = eher okay.


  • Weidedauer begrenzen: Die Frage „Wie lange darf mein Pferd drauf?“ hängt vom Individuum ab. Ein robustes, trainiertes Pferd ohne Rehe-Vorgeschichte verträgt vielleicht mehrere Stunden auf nicht zu üppiger Wiese. Ein Pony mit EMS-Risiko dagegen evtl. nur eine Stunde mit Kontrolle. Pauschal gilt: Lieber häufige kurze Weidegänge als einmal täglich stundenlang. Viele Pferdebesitzer lassen ihre Lieblinge morgens 1–2 Stunden raus und stellen sie dann wieder in den Paddock mit Heu. Das begrenzt die Grasaufnahme und damit die Zuckermenge im Pferd. Achte darauf, wie dein Pferd auf die Weide reagiert – nimmt es zu, bekommt es Fettpolster am Mähnenkamm (Cresty Neck) oder gar Hufreheschübe, war es zu viel.


  • Grasmenge technisch reduzieren: Für absolute „Rasenmäher“ kannst du Hilfsmittel nutzen. Ein Fressmaulkorb (Grasfangkorb) erlaubt dem Pferd zu grasen, limitiert aber pro Biss die Menge. So kann es länger auf der Wiese bleiben, ohne zu viele Kalorien aufzunehmen. Alternativ lassen sich Portionsweiden abstecken: z.B. mit Zaun einzelne Parzellen einteilen und täglich nur kleine Abschnitte freigeben. Auch regelmäßiges Abmähen der Weide kann helfen – wobei aufgepasst: sehr kurz abgefressene oder frisch gemähte Weiden enthalten in den Stängelresten oft besonders viel Fruktan. Pferde also besser nicht auf ganz kurzen Rasen lassen, wo sie nur die zuckerreichen Stängelreste erwischen.


  • Pferd in Form halten: Bewegung ist ein wichtiger Schutzfaktor. Pferde, die viel bewegt werden oder im Offenstall ständig umherlaufen, verbrauchen die aufgenommene Energie besser und haben ein stabileres Zuckerstoffwechsel-System. Überernährte, dicke Pferde haben ein höheres Reherisiko. Sorge also für regelmäßiges Training und achte auf normales Gewicht. Sollte dein Pferd zu Speck neigen, reduziere Kraftfutter und biete eher rauhfaserreiches, mäßiges Heu an. Je fitter und schlanker das Pferd, desto weniger gefährlich ist etwas Gras.


  • Weidepflege und -gestaltung: Ein gut gemanagter Pferdeweideboden kann das Risiko senken. Auf nährstoffarmen Böden ruhig maßvoll düngen, damit das Gras wachsen kann und Fruktan verbraucht wird. Stelle sicher, dass ausreichend verschiedene Gräser und Kräuter auf der Weide sind – Monokulturen aus Hochleistungsgräsern (wie für Rinderweiden gezüchtet) sind besonders fruktanreich. Eventuell kannst du einen Teil der Weide als Magerweide anlegen oder die Weidezeit auf einen bereits abgegrasten Auslauf beschränken, wo das Pferd eher nach Resten suchen muss (allerdings wie gesagt: zu kurz auch nicht ideal). Schutz vor Fruktanschüben: Nach Frostnächten die Pferde lieber mal einen Tag pausieren lassen. Bei anhaltender Trockenheit, wo Gras nicht wächst, ebenfalls Vorsicht – evtl. auf Heufütterung umsteigen, bis es regnet.


Fazit

„Fett“ ist für Pferde nicht immer „gut“. Kenne das Gras und kenne dein Pferd. Mit Augenmaß – und Zurückhaltung – kannst du deinem Pferd trotzdem tägliche Wiesenzeit gönnen, ohne es in Gefahr zu bringen. Im Zweifel zieh den Tierarzt oder Ernährungsberater zu Rate, wenn du unsicher bist, wie viel Weide deinem Pferd bekommt.

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