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Oxytocin, Blickkontakt und der Dackelblick: Was die Forschung sagt

  • Tierisch schlau
  • 28. Mai
  • 6 Min. Lesezeit

Hunde begleiten uns Menschen seit Jahrtausenden. Doch was macht die soziale Kommunikation und Bindung zwischen Hund und Mensch so besonders? In diesem Artikel gehen wir auf wissenschaftliche Erkenntnisse ein, die erklären, warum Hunde uns so gut verstehen – und wie wir sie verstehen können.



Die besondere Mensch-Hund-Bindung: Wenn Hormone und Emotionen mitspielen

Hast du dich schon mal gefragt, warum du dich so unglaublich wohl fühlst, wenn dein Hund dich mit treuen Augen anschaut? Die Antwort liegt in unseren Hormonen. Forschungen haben gezeigt, dass beim innigen Blickkontakt zwischen Mensch und Hund bei beiden das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet wird – ähnlich wie bei einer Mutter, die ihr Baby ansieht. Dieses „Kuschelhormon“ stärkt die soziale Bindung und sorgt für Gefühle von Vertrauen und Liebe. Eine Studie der Azabu-Universität in Japan fand 2015 heraus, dass ein langer Blick zwischen Hund und Halterin oder Halter den Oxytocin-Spiegel auf beiden Seiten ansteigen lässt, was die Verbundenheit fördert. Kein Wunder, dass wir uns oft als Familie fühlen.


Noch bemerkenswerter: 2022 entdeckten Forscher um Takefumi Kikusui, dass Hunde beim freudigen Wiedersehen mit ihrem Menschen sogar Tränen in die Augen bekommen. Die Hündchen vergießen echte Freudentränen, und wieder spielt Oxytocin eine entscheidende Rolle. Es ist wissenschaftlich dokumentiert, dass Hunde beispielsweise nach ein paar Stunden Trennung beim Wiedersehen vermehrt Tränenflüssigkeit produzieren. Das sind natürlich keine menschlich verstandenen „Freudentränen“ mit Gefühlen wie wir sie beschreiben würden, aber physiologisch zeigt es, wie eng und emotional die Beziehung sein kann: Dein Hund freut sich so sehr, dich zu sehen, dass sich messbare körperliche Reaktionen zeigen. Diese Erkenntnis rührt viele Menschen – sie bestätigt uns, dass unsere Hunde echte Emotionen in Bezug auf uns haben.


Hunde sind außerdem Experten darin, unsere Gefühlslagen zu erkennen und mitzufühlen. Eine Reihe neuer Studien belegt, dass Hunde Stimmungen wie Angst, Stress oder Freude beim Menschen nicht nur bemerken, sondern dass sich diese Emotionen auch auf sie übertragen. Zum Beispiel steigt bei Hunden der Cortisolspiegel (Stresshormon), wenn sie das Weinen eines Babys hören – ähnlich wie bei menschlichen Eltern, die auf Babygeschrei mit Stress reagieren. Ebenso ist Gähnen ansteckend: Viele Hunde müssen ebenfalls gähnen, wenn ihr Mensch gähnt, was als Zeichen von Empathie gewertet wird. Clive Wynne, Hundeforscher an der Arizona State University, betont: „Die emotionale Verbindung spielt in der Mensch-Hund-Beziehung eine äußerst wichtige Rolle.“ Hunde sind extrem soziale Wesen, sie „lassen sich leicht von der Zuneigung und Freude ihres Umfelds anstecken“. Das heißt konkret: Bist du gelassen und fröhlich, wird dein Hund diese Sicherheit spüren. Bist du hingegen ständig ängstlich oder gestresst, kann sich diese Spannung auch auf deinen Hund übertragen. In der Fachwelt spricht man hier von interspezifischer emotionaler Ansteckung – ein schönes Phänomen, das aber auch Verantwortung bedeutet: Dein Hund spürt, wie es dir geht, und reagiert darauf.


Kommunikationsfähigkeiten: Warum Hunde uns so gut verstehen

Hunde gelten als die Tiere, die den Menschen am besten lesen können – kein anderes Tier hat sich unseren kommunikativen Eigenheiten so angepasst. Über ca. 30.000 Jahre Domestikation haben Hunde Fähigkeiten entwickelt, unsere Sprache, Gestik und Mimik erstaunlich gut zu deuten. Die sogenannte Domestikationshypothese geht davon aus, dass während der jahrtausendelangen gemeinsamen Evolution diejenigen Wölfe/Hunde Erfolg hatten, die menschliche Signale verstehen und darauf reagieren konnten. Das Ergebnis siehst du täglich: Dein Hund versteht ein Fingerzeig oder einen Blick oft besser als viele andere Tiere. Tatsächlich schneiden Hunde in Tests, bei denen es darum geht, einem menschlichen Zeigegestus zu folgen (z.B. zwei umgedrehte Becher, du zeigst auf den mit Leckerli), deutlich besser ab als sogar Menschenaffen. Schon junge Hundewelpen kapieren: Fingerzeig bedeutet dort passiert was! – etwas, womit Schimpansen sich schwer tun.


Hunde beobachten uns sehr genau. Studien zeigen, dass Hunde z.B. mehr Gesichtsausdrücke zeigen, wenn wir Menschen sie anschauen. In einem Experiment waren Hunde in Versuchsräumen entweder mit beobachtendem Publikum oder allein: Sobald ein Mensch hinschaute, produzierten die Hunde häufiger diese bekannten „Dackelblick“-Gesichtszüge (große Augen, hochgezogene Augenbrauen). Das tun sie vermutlich, weil sie gelernt haben, dass wir darauf positiv reagieren (Stichwort: bettelnder Hund am Tisch). Es ist fast so, als wüssten Hunde, dass Mimik uns beeinflusst, und setzen sie gezielt ein! Juliane Kaminski, eine Psychologin, fand in einer Studie 2017 heraus, dass Hunde ihre „Gesichtsmuskeln für den Hundeblick“ (vor allem den inneren Augenbrauenheber – verantwortlich für diesen treuherzigen Blick) viel häufiger bewegen, wenn sie Aufmerksamkeit von Menschen haben. Das ist eine kommunikative Anpassung, die im Zusammenleben mit uns entstanden sein könnte. Immerhin haben Wölfe diese spezielle Augenbrauen-Mimik kaum – manche sprechen sogar davon, dass Hunde uns „erfunden“ haben, wie man richtig süß guckt, um in unseren Herzen zu landen.


Auch gestisch und von der Aufmerksamkeit her passen sich Hunde an. Eine experimentelle Studie des Max-Planck-Instituts Jena (2020) ergab, dass Hunde ihre kommunikativen Strategien je nach Situation variieren, und dass dabei unser Verhalten einen großen Einfluss hat. Wenn wir uns kooperativ verhalten und ihnen z.B. helfen, ein verstecktes Spielzeug zu finden, kommunizieren Hunde mit weniger Aufwand, weil wir es ihnen leicht machen. Sind wir unaufmerksam oder „schwer von Begriff“, investieren Hunde tatsächlich mehr Anstrengung, uns etwas mitzuteilen (z.B. intensiveres Bellen oder Deutlicher-zeigen). Interessanterweise nutzen Hunde aber kaum vorherige Erfahrungen im Sinne von „beim letzten Mal hat diese Geste funktioniert, also mache ich sie wieder“ – jedenfalls nicht in dem Maße wie wir Menschen es tun würden. Die Studie legte nahe: Das Verhalten des Besitzers hat größeren Einfluss auf die Kommunikation als bisher gedacht. Für dich heißt das: Wie du dich gibst, so reagiert dein Hund. Bist du aufmerksam und verstehst seine Hinweise, muss er weniger „schreien“. Ignorierst du ihn oft, könnte er sich angewöhnen, stärker zu kommunizieren (z.B. fordernder zu bellen), um durchzudringen.


Zu guter Letzt dürfen wir die hündische Kommunikation untereinander nicht vergessen, denn sie bildet die Grundlage. Hunde sind Meister darin, Konflikte sozial zu managen – viel mehr, als lange die Dominanz-Theorien vermuten ließen. In Wolfsrudeln und auch bei Straßenhunden sieht man, dass ernste Kämpfe selten sind; stattdessen werden Status und Absichten über vielfältige Signale vermittelt: Drohgesten hier, Unterwerfungsgesten da, und das meistens, bevor es ernst wird. Ein rangniedriger Hund wird einem ranghöheren z.B. aktiv beschwichtigen (Kopf abwenden, Körper ducken, vielleicht sogar Lefzen lecken beim anderen), sodass der Konflikt gar nicht ausbrechen muss. Dieses feine Sozialverhalten haben Hunde auch gegenüber uns parat – nur interpretieren wir Menschen es oft falsch. Ein Beispiel ist das oben erwähnte „Schuldbewusste“ Ducken: Dein Hund zeigt damit eigentlich „Bitte keinen Streit, ich bin dir unterlegen“, nicht „Ich weiß, was ich falsch gemacht habe“. Moderne Verhaltensforschung rückt diese Missverständnisse zurecht und hilft uns, Hunde besser zu verstehen, ohne sie zu vermenschlichen.


Fazit: Wissenschaft fürs tägliche Miteinander nutzen

  • Vertrauenskapital erhöhen: Jetzt wo du weißt, dass liebevolle Blicke tatsächlich biochemisch eure Bindung stärken, nutze das ruhig aus! Nimm dir täglich Momente, wo du dich zu deinem Hund setzt, vielleicht sanft seinen Kopf hältst (wenn er das mag) und ihm einfach in die Augen schaust und leise mit ihm sprichst. Dieses Oxytocin-Boosting tut euch beiden gut – es ist quasi Kuschelzeit auf hormoneller Ebene.


  • Positive Stimmung, positive Hunde: Versuch, möglichst gelassen und optimistisch mit deinem Hund durchs Leben zu gehen. Dein Hund merkt sich: Wenn du Ruhe ausstrahlst, kann er schwierige Situationen besser meistern. Zum Beispiel, bei Gewitter oder lauten Geräuschen – bleib ruhig, vermittle Sicherheit, statt selbst nervös zu werden. Dein Hund orientiert sich emotional stark an dir (Stichwort sozialer Referenzrahmen: Hunde schauen bei Unsicherheit, wie Herrchen/Frauchen reagiert). Sei sein Fels in der Brandung, dann wird er seltener in Panik geraten.


  • Nutze die Superpower deines Hundes, dich zu verstehen: Hunde achten auf unsere Gesten und Mimik – belohne deinen Hund doch mal gezielt mit einem Lächeln oder einem Nicken, wenn er etwas richtig gemacht hat. Das kann manchmal effektiver sein als ein Leckerli! Viele gut trainierte Hunde beobachten das Gesicht ihres Menschen ständig. Ein freundlicher Blick, ein helles Augenbrauenheben kann als „Gut so!“ aufgefasst werden. Probiere im Training, Befehle mit Handzeichen zu koppeln – du wirst sehen, oft reagiert dein Hund auf die Geste sogar schneller als auf das Wort. Das ist kein „Cheaten“, sondern kommt seinem natürlichen Verständnis entgegen.


  • Kommunikationsangebote deines Hundes erwidern: Wenn dein Hund dir ein Spielzeug bringt und dich auffordernd anschaut, sieh das als echtes Gesprächsangebot. Hunde haben sogar rund 19 verschiedene Gesten identifiziert bekommen, mit denen sie uns etwas mitteilen wollen (z.B. mit der Schnauze stupsen = „bitte kraulen“ oder Spielzeug hinlegen = „werfen“ etc.). Geh also aktiv darauf ein. Diese Interaktionen stärken eure soziale Verbindung und dein Hund fühlt sich verstanden. Wissenschaftler haben hundetypische Gesten katalogisiert und finden es faszinierend, wie gut wir zweibeinerlernen können, was z.B. ein Pfote-heben oder Kopf-zu-Seite-werfen bedeutet – nämlich oft sehr konkrete Wünsche.


  • Grenzen der Empathie respektieren: So sehr dein Hund dich liebt – er ist und bleibt ein Hund mit eigenen Bedürfnissen. Emotionaler Austausch heißt nicht, dass dein Hund menschliche Probleme vollständig begreift. Er merkt, dass du traurig bist, aber nicht warum. Hier hilft es, Hund bleibt Hund im Kopf zu behalten. Das schützt dich davor, ihn zu überfordern (z.B. den Hund trösten zu wollen, wenn du weinst – dabei verwirrst du ihn nur, weil er nicht weiß, was los ist). Gib ihm stattdessen Struktur und Normalität; das beruhigt euch beide.


Zusammengefasst kann man sagen: Die Wissenschaft bestätigt vieles, was wir aus Erfahrung schon geahnt haben – und liefert spannende neue Details. Kein anderes Tier ist dem Menschen so nah wie der Hund, weder emotional noch in der Fähigkeit, unsere Signale zu lesen. Dieses Geschenk der Evolution können wir täglich genießen und vertiefen.

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