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Nie mehr allein – warum Wellensittiche nicht einzeln gehalten werden dürfen

  • Tierisch schlau
  • 20. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Mai

Wellensittiche sind äußerst soziale Tiere. In Australien leben sie in Schwärmen von teils mehreren tausend Vögeln. Einzelhaltung ist daher nicht artgerecht und in einigen Ländern sogar verboten. In der Schweiz zum Beispiel ist es seit 2008 gesetzlich untersagt, soziale Tiere wie Wellensittiche allein zu halten. Auch das deutsche Tierschutzgesetz fordert, dass kein Tier ohne vernünftigen Grund seiner Artgenossen beraubt werden darf. Ein Partnervogel ist für einen Wellensittich fundamental – kein Mensch und kein Plastikvogel kann ihm den arteigenen Sozialkontakt ersetzen. Im Schwarm oder Paar spielen, schnäbeln, balzen und plustern Wellis miteinander. Sie kraulen sich gegenseitig die Köpfchen und kommunizieren unablässig über Laute und Körpersprache. All das fehlt dem Einzeltier in Gefangenschaft. Die Folgen sind traurige, gestresste Vögel, die häufig Verhaltensstörungen entwickeln.


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Mythos Zahmheit durch Einsamkeit

Früher glaubte man, ein einzelner Wellensittich würde besonders zahm und „sprechend“, weil er mangels Vogelpartner den Menschen als Ersatz ansieht. Tatsächlich schließen einzelne Wellensittiche oft eine Notbindung mit ihrem Halter und ahmen dessen Sprache nach. Doch streng genommen sind solche „sprechenden“ Einzelvögel verhaltensgestört. Ihr Partnerersatz Mensch kann die soziale Interaktion eines echten Vogels nicht ersetzen. Das bestätigt auch der Deutsche Tierschutzbund: „Es ist alles andere als artgerecht, die Tiere einzeln zu halten. Wellensittiche, die in Gruppen leben, können ebenfalls sehr zutraulich werden, wenn Sie sich intensiv mit ihnen beschäftigen.“. Mit anderen Worten: Zahm werden Wellis auch zu zweit oder im Schwarm, solange der Halter sich mit ihnen befasst. Die Annahme, man müsse einen Wellensittich isolieren, um ihn handzahm zu machen, ist wissenschaftlich widerlegt und aus Tierschutzsicht inakzeptabel.


Probleme durch Einzelhaltung

Ein einsamer Wellensittich leidet erheblich unter Sozialentzug. Viele entwickeln unnatürliche Verhaltensweisen: Manche rufen verzweifelt oder werden apathisch, andere fangen an, den mitgelieferten Spiegel zu füttern oder sogar zu attackieren, als wäre das Spiegelbild ein Rivale. Spiegel und Plastik-Vogelattrappen im Käfig sind besonders kritisch. Sie wurden früher als „Gesellschaft“ fürs Einzelvogel verkauft, sind heute aber als tierschutzwidrig eingestuft. Denn ein Wellensittich vor dem Spiegel kann denken, er sieht einen Artgenossen. Entweder versucht er, den vermeintlichen Partner zu füttern – was ins Leere geht – oder er deutet das eigene Spiegelbild als Konkurrenz und wird aggressiv. Beide Szenarien schaden: Häufig wecken Spiegel den Fütterungstrieb, wodurch der Vogel immer wieder Körner hochwürgt, die niemand abnimmt. Das ständige vergebliche Hochwürgen reizt die empfindliche Schleimhaut im Kropf so stark, dass schwere Entzündungen mitunter bis zum Tod entstehen können. Aggressionen gegen das Spiegelbild bedeuten ebenso Dauerstress für den Einzelwelli.


Auch wenn ein einsamer Wellensittich oberflächlich „zufrieden“ wirkt – etwa weil er zwitschert oder frisst – heißt das nicht, dass es ihm gut geht. Viele Einzelvögel zeigen Anzeichen von Vereinsamung, die Halter anfangs übersehen: Sie rufen ununterbrochen nach Aufmerksamkeit, schreddern aus Langeweile die Käfigeinrichtung oder plustern sich übermäßig auf (ein Zeichen von Unwohlsein). Einige beginnen aus Frust mit Federrupfen oder entwickeln andere Stereotypien. In Fachkreisen gilt Einzelhaltung sozialer Vögel als psychische Tierquälerei, weil die Tiere dauerhaft wichtige Grundbedürfnisse nicht ausleben können.


Immer mindestens zu zweit

Die Mindestanforderung für Wellensittiche in Gefangenschaft ist die Haltung von mindestens zwei Tieren. Besser noch ist ein kleiner Schwarm von vier oder mehr Wellis, sofern Platz vorhanden ist. In einer harmonischen Gruppe fühlen sich die Vögel am wohlsten und zeigen ihr ganzes natürliches Verhaltensrepertoire. Es macht auch dem Halter mehr Freude, ein buntes Wellensittich-Team zu beobachten: vom liebevollen Schnäbeln eines Pärchens bis zu ausgelassenem Flattern aller beim Morgenkonzert. Wichtig ist, gleichgeschlechtliche oder blutsfremde Paare zu vergesellschaften, um unkontrollierte Zucht zu vermeiden. Zwei Hähne verstehen sich meist gut und singen viel zusammen; zwei Hennen können auch harmonieren, sofern genügend Platz und Abwechslung geboten werden. Ein gemischtes Paar spiegelt jedoch am ehesten die Natur wider und zeigt Balz und Partnerversorgung.


Wer bereits einen Einzelwelli besitzt, sollte so schnell wie möglich einen zweiten dazugesellen. Oft blüht ein lange allein gehaltener Vogel merklich auf, sobald er einen gefiederten Freund hat. Die Vergesellschaftung erfordert etwas Geduld: Am besten führt man die Tiere an einem neutralen Ort zusammen, z.B. bei gemeinsamem Freiflug. Anfangs kann es etwas Rangeleien geben, doch meist schließen Wellis rasch Freundschaft. Unterstützen kann man dies, indem man z.B. zwei Futterstellen anbietet, damit kein Streit ums Futter entsteht. Hat der alte Vogel lange allein gelebt, muss er erst wieder „wellensittisch“ lernen – also die normale Kommunikation. Der neue Partner und viel Beschäftigung helfen ihm dabei.


Fazit

Wellensittiche dürfen nie alleine gehalten werden. Ein einzelner Vogel vereinsamt und wird trotz Menschennähe niemals wirklich glücklich. Zwei oder mehr Wellensittiche hingegen bedeuten doppelte Freude – für die Tiere und den Halter. Man kann ihrem lebhaften Sozialspiel zusehen, ihrem Zwitschern lauschen und wird feststellen: zufriedene Wellis, die einen Partner haben, werden von selbst zutraulich, ohne dass man ihnen ihren Artgenossen vorenthalten muss. Im Interesse des Tierwohls heißt es also: Nie mehr allein!

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