Keine Putzkolonne auf Flossen: Warum Welse & Co. trotzdem Pflege brauchen
- Tierisch schlau
- 20. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Mai
„Hol dir ein paar Putzerfische, dann bleibt das Aquarium sauber!“ – Solche Ratschläge hört man oft im Zoohandel oder von Bekannten. Klingt verlockend, oder? Tiere anschaffen, die die lästige Putzarbeit übernehmen… Doch Vorsicht: „Putzerfische“ sind ein Mythos. Hinter diesem Begriff verbergen sich meist Welsarten (wie Panzerwelse, Antennenwelse) oder andere Bodenbewohner, denen man nachsagt, das Aquarium zu reinigen. Die Realität sieht anders aus. Kein Fisch putzt freiwillig das Aquarium für dich, und alle diese Tiere brauchen selber Pflege und Futter wie jeder andere Fisch auch. Hier erfährst du, warum die „Putzkolonne auf Flossen“ eine Lüge ist – und wie du Welse & Co. richtig hältst.

Der Putzerfisch-Mythos
Manche Verkäufer stellen Bodenfische so dar, als seien sie lebende Scheibenreiniger oder Algenvernichter, die man nur ins Becken setzen muss und dann nie wieder putzen braucht. In Wahrheit fressen diese Tiere keinen „Schmutz“ im Sinne von Fischkot. Warum sollten sie auch? Kot besteht aus unverdaulichen Resten – das rührt kein Tier an, auch kein Wels. Algen stehen bei einigen Arten zwar auf dem Speiseplan, aber auch da gibt es Haken: Erstens sind viele „Algenfresser“ wählerisch und verschmähen einige Algenarten komplett. Zweitens schaffen sie es nie, ein stark veralgtes Becken allein sauber zu futtern. Und drittens fressen gerade Welse lieber normales Futter und Pflanzenreste, wenn man sie lässt – warum sollten sie sich mit harten Algenbelägen abmühen, wenn weiches Gemüse oder Fischfutter viel leckerer ist? Einige Welse knabbern tatsächlich eher an deinen Aquarienpflanzen als die Algen abzuraspeln. Mit anderen Worten: Ein Fisch, der dein Aquarium komplett reinigt, existiert nicht. Du wirst trotz der Helferlein weiterhin selbst Scheiben putzen, Mulm absaugen und Algen zupfen müssen – zumindest ab und zu.
Dennoch nützliche Helfer
Das heißt aber nicht, dass Welse, Garnelen und Co. nutzlos wären. Amanogarnelen zum Beispiel sind fleißige Algenfresser und putzen feine Algenbeläge von Pflanzen. Napfschnecken (Geweihschnecke, Rennschnecke) grasen Scheiben erstaunlich sauber ab – allerdings kommen sie in Ecken auch nicht überall hin. Antennenwelse und Otocinclus raspeln schon Algen von Wurzeln und Steinen, zumindest die weichen Grünalgen. Panzerwelse durchwühlen den Bodengrund und fressen Futterreste auf, bevor diese vergammeln. All das sind kleine Beiträge zur Sauberkeit, die ein Aquarianer durchaus zu schätzen weiß. Wichtig ist aber die richtige Einstellung: Diese Tiere sind Mitbewohner, keine Dienstleister. Du solltest sie nur halten, wenn du sie magst und ihren Bedürfnissen gerecht werden willst – nicht als billige Putzkraft. Sie bringen einen Zusatznutzen, ja, aber sie ersetzen keine Pflege.
Welse & Co. brauchen selbst Pflege
Was viele vergessen: Jeder zusätzliche Fisch bedeutet mehr Futterbedarf und mehr Ausscheidungen – also mehr Belastung fürs Wasser, nicht weniger. Ein Antennenwels z.B. produziert kräftig Kot, gerade wenn er viel pflanzliche Nahrung frisst. Regelmäßige Wasserwechsel und Filterreinigung bleiben also Pflicht, vielleicht sogar häufiger bei vielen Welsen. Außerdem haben Welse spezielle Ansprüche:
Richtige Ernährung: Viele Welsarten sind Allesfresser mit pflanzlicher Vorliebe. Du musst ihnen gezielt Futter geben! Algen alleine reichen nicht. Füttere z.B. Welstabletten oder Gemüse (überbrühte Zucchini, Gurke, Spinatblätter). Antennenwelse raspeln Holz – sie brauchen tatsächlich Holz im Aquarium, um Ballaststoffe aufzunehmen. Ohne Holz können sie Verdauungsprobleme bekommen. Panzerwelse wiederum fressen gerne Frostfutter und sinkendes Granulat, sie sollten in Gemeinschaft nicht leer ausgehen, weil andere alles wegfressen.
Sozialverhalten: Panzerwelse und viele andere Bodenfische sind Gruppentiere. Halte Corydoras immer in Gruppen von mind. 5, besser 10 Tieren – sonst kümmern sie und „putzen“ auch weniger, weil sie scheu sind. Otocinclus (Oto-Welse) ebenfalls nur in Gruppen pflegen. Einzeln gehaltene „Putzerfische“ sind unglücklich und werden keinen Eifer zeigen.
Platz und Verstecke: Antennenwelse werden deutlich größer (15 cm sind keine Seltenheit) und brauchen ausreichend Platz und Versteckmöglichkeiten. Eine Wurzelhöhle als Unterschlupf ist Pflicht. Nur wenn sie sich sicher fühlen, gehen sie auch auf Nahrungssuche. Enger Raum oder fehlende Verstecke stressen die Tiere – damit ist niemandem geholfen.
Wasserwerte: Viele „Reinigungscrew“-Arten haben empfindliche Seiten. Garnelen z.B. reagieren auf hohe Nitratwerte schnell negativ – dabei sollten sie ja beim Sauberhalten helfen. Also musst du beste Wasserqualität bieten, damit deine Helfer nicht selbst verkümmern. Otocinclus wiederum sind oft Wildfänge aus weichem Wasser und mögen keine höheren Nitratwerte oder Temperaturen über 26 °C. Passt das Wasser nicht, sterben sie dir weg, bevor sie irgendeine Alge gefressen haben.
Mythos „Algenfresser = keine Algen“
Selbst wenn du mehrere Algenfresser-Arten hältst: Hast du ein grundsätzliches Algenproblem, wirst du es nur lösen, wenn du die Ursachen angehst – Licht, Nährstoffe, Pflege. Die Tiere können vielleicht das Algenwachstum etwas bremsen, aber sichtbare Beläge wirst du trotzdem manuell entfernen müssen. Das sollte dir von Anfang an klar sein, damit du nicht falsche Erwartungen an die Welse hast.
Warum der Begriff „Putzerfisch“ problematisch ist
Er verleitet zu der Annahme, diese Fische hätten primär eine Funktion im Aquarium und bräuchten sonst keine Beachtung. Das führt leider oft dazu, dass z.B. Antennenwelse in kleinen, ungeeigneten Becken landen, ohne Zufütterung, und dann verhungern oder verkümmern. Oder dass man einen Panzerwels allein hält und wundert sich, warum er ständig versteckt bleibt – „der putzt halt nachts“, denkt man dann. In Wahrheit ist der Einzelgänger-Panzerwels einsam. Jedes Lebewesen im Aquarium ist ein eigenständiger Pflegling, kein „Gebrauchsgegenstand“. Man sollte daher lieber von Aufwuchsfressern oder Bodenfischen sprechen und nicht von Putzerfischen – dann ist die richtige Perspektive da.
Fazit
Welse, Garnelen, Schnecken – sie alle können dir im Aquarium etwas Arbeit abnehmen, aber nur zu einem gewissen Grad und nur wenn du sie richtig versorgst. Sie sind kein Ersatz für deine eigene Pflege. Betrachte sie als interessante Bereicherung deines Beckens: Ein Trupp Panzerwelse, der munter durch den Sand wuselt, oder ein hübscher Antennenwels, der an der Wurzel nagt, sind tolle Beobachtungsobjekte. Wenn du diese Tiere aus Freude an ihnen hältst, wirst du ihren kleinen Reinigungsbeitrag umso mehr schätzen – ohne falsche Erwartungen. Also vergiss die „Putzkolonne auf Flossen“ und hab einfach Spaß an deinen Welsen & Co., denn gepflegte Welse sind glückliche Welse… und ein glücklicher Wels macht auch dich als Aquarianer glücklich!


